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    Was kann ICH für Umwelt und Klima eigentlich tun? Teil 6: Die Rattenmutter Ratzabella zum Thema „Müll“

    Einmal andersherum: Lassen wir heute einmal die Rattenmutter „Ratzabella vom Brunnengarten“ mit Ihrer Sicht auf das Thema Müll zu Wort kommen. Sie freut sich nämlich als Chefin einer stattlichen Rattenfamilie über möglichst viel Abfall und Unrat. 

    Hört mal zu ihr Menschen: Ich will euch was erzählen. Über das Herzogenried.

    Warum? Ich bin die Ratzabella vom Brunnengarten. Ich stamme aus einem uralten Geschlecht von hier. Das hatte sich, als 1666 in Mannheim die Pest wütete, hier im Weideland und Jagdgebiet vom Kurfürst Friedrich dem Vierten, im Herzogenried, angesiedelt. Dieser Kurfürst hatte ja schon am 31. Januar 1606 die Stadt Mannheim gegründet und wollte sich hier und im Käfertaler Wald erholen. Ganz viele Menschen mussten damals am „Schwarzen Tod“ – wie die Menschen die Pest nannten – sterben. Ohne es zu ahnen, hatten wir, die Ratten, zur Ausbreitung dieser furchtbaren Seuche beigetragen. Heute wissen wir, dass wir – nicht nur wie damals mit Unterstützung unserer Flöhe – noch viele andere Krankheiten auf die Menschen übertragen können. Zu dieser Zeit waren wir ja noch ganz normale Nagetiere aus der Gattung „Altweltmäuse“. Wir schlugen uns über Jahrhunderte mehr schlecht als recht durchs Leben. 

    1974 kam dann die Wende: Das Projekt „Wohnen im Grünen“. Das Herzogenried wurde für die BUGA 1975 aus dem Boden gestampft. Furchtbare Tage. Baulärm, regelrechte Erdbeben durch Baumaschinen, die Zerstörung der meisten unserer unterirdischen Bauten, die Vertreibung aus unseren Wohnungen und weitere schlimme Dinge standen auf der Tagesordnung. Viele von uns armen Feldratten blieben auf der Strecke. Aber es gab dann auch neue Möglichkeiten. Die Menschen hatten für ihre Wohnungen ein ausgiebiges Kanal- und Abwassersystem geschaffen. Wir brauchten uns unsere neuen Wohnungen gar nicht mehr selbst zu graben und auszubauen. Wir zogen einfach in die vielen Spalten, Nischen und Eckchen der Kanalisation ein! Wir wurden echte Kanalratten. Und das Schönste: Essensreste, die manche Leute über das Klo entsorgen, schwammen, oft herrlich duftend, direkt vor unseren Haustüren vorbei. Es ging uns so gut, dass wir uns stark vermehren konnten. Wir wurden eine große und starke Sippe – die Beherrscher der Kanalisation des Herzogenrieds. Manchmal klettern wir dort, wo besonders viel Essen durch das Fallrohr kommt, die Röhre hinauf bis in die Kloschüsseln. Wir schaffen heutzutage durchaus schon fünf Stockwerke. Dann erschrecken die Leute, haben Angst und wundern sich.

    Nach einigen Jahren wurden die vorhandenen Müllabwurfanlagen abgeschafft und Müllplätze mit Mülltonnen gebaut. Das führte zu einer weiteren Verbesserung unserer Ernährungsmöglichkeiten. Wir konnten uns nun aus dem, was beim Einwerfen der Hausabfälle neben die Mülltonnen gefallen war, zusätzliche Nahrung heraussuchen. Und da waren echte Leckerbissen dabei! Wir stöberten meist in der Nacht im Hausmüll. Dann konnten wir in Ruhe dort wühlen und unsere Beute abtransportieren.

    Schließlich haben die Menschen dann die Mülltrennung und große Abfallcontainer eingeführt. Sah erst mal nach einem Problem aus. Aber wir wären keine echten Ratten, wenn wir nicht erfinderisch und schlau, eine Lösung gefunden hätten. Schnell fanden wir heraus, dass uns beim Öffnen der Müllsäcke unsere Nagezähne als gute Werkzeuge dienen können. Auch die vielen Krähen und Tauben, die zwischenzeitlich ebenfalls hierhergezogen waren, halfen uns mit ihren kräftigen Schnäbeln beim Zerstören der lästigen Müllbeutel, die unsere Schätze umhüllten. Nach ihrer Arbeit können wir dann herrlich stöbern und wühlen. Wir finden dort die köstlichsten Dinge! Die Krähen und Tauben sind immer am Tag unterwegs und fliegen einfach weg, wenn sich Menschen den Müllplätzen nähern. Und nachts, wenn sie schlafen, ist unser Tisch dann reichlich gedeckt. Die essen ja auch gerne ganz andere Dinge als wir. Gute Arbeitsteilung. 

    Heute bin ich froh, dass mein Mann, gleich nach der Steigstangsanierung der Menschenhäuser 2020, unbedingt in den Brunnengarten umziehen wollte. Seit damals fand nämlich zu unserem Glück auch ein verstärkter Wechsel der Menschen in den Wohnungen statt. Sie wurden nicht mehr so richtig heimisch in ihren Wohnungen. Sie kannten sich untereinander immer weniger. Sie dachten deshalb immer mehr nur an sich selbst und nicht an die Anderen, an ihre “Mitmenschen“, die neben ihnen wohnten. Menschen behaupten zwar, sie hätten ganz tolle Gesetze, nach denen sie angeblich leben. So wie ihr Grundgesetz. Darin steht nämlich, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, dass das Recht des Einen da endet, wo das Recht des Anderen beginnt und wie sie miteinander leben können und sollen. Aber das kümmert sie wenig. Nur das eigene „Ich“ ist noch wichtig.  Deshalb werfen viele ihre Mülltüten gar nicht erst in die Container – die und die Tür zum Müllplatz müsste man ja erst einmal aufschließen – sondern stellen sie einfach davor ab. Manche denken sich auch einfach nichts dabei. Das ist perfekt für uns. Es gibt sogar Menschen aus anderen Häusern, die in den umliegenden Supermärkten Einkaufswägelchen gestohlen haben. Darin transportieren sie ihre Müllbeutel dann vor fremde Müllplätze und lassen die einfach dort stehen. Lästig für uns: wir können doch nicht in die Wägelchen hochklettern, um an die Säcke zu kommen. Manchmal fallen aber wenigstens Reste vom Bio-Müll durch die Gitter, wenn die Krähen uns wieder mal unterstützt haben. 

    In dieser Zeit habe ich leider meinen Mann, den lieben Vater meiner 9 Kinder verloren. Ein großes Auto raste durch den Brunnengarten. So schnell, dass es sogar Menschenkinder hätte umfahren können. Wir waren an dem Tag nur auf dem Weg zu unserem Abendessen. Ich ging vorneweg. Die Kinder hinter mir. Mein Mann ging am Ende. Da erwischte es meinen Mann. Dieses Auto war auch für ihn viel zu schnell. Die Kinder und ich sind mit dem Schrecken davongekommen. Jetzt wurde es für mich als Witwe noch schwerer, unsere Kinder aus dem Müll zu ernähren.

    Aber Gottseidank gibt es auch noch Menschen, die einfach lieb zu uns sind. Sie legen uns unser tägliches Essen freundlicherweise regelmäßig vor die Müllcontainer. Sie glauben zwar meistens, dass andere ihren Müll wegräumen müssen und sie würden uns und denen, die mit Müllwegräumen ihr Geld verdienen, etwas Gutes tun. Für uns haben sie völlig recht. Wir brauchen einfach mehr von ihnen! Auch von denen, die die Container wenigstens für uns und Krähen und Tauben offenlassen. Auch das funktioniert zunehmend immer besser.

    Wenn dann nur nicht immer wieder die Umweltpaten kämen. Böse Menschen. Die wollen uns nur unser Futter wegnehmen, damit es schön sauber aussieht. Aber was ist schon schön. Es gibt doch nicht nur Menschenrechte. Es gibt doch auch Rattenrechte. Des einen Freud ist halt des anderen Leid. 

    Und wie immer das Beste zum Schluss: Jetzt werden wir sogar ins Treppenhaus eingeladen! Auch dort deponieren liebe Menschen seit einiger Zeit ihren Hausmüll. Toll! Da klettern wir schon mal gerne 9 oder 10 Stockwerke hoch.

    Müll im Treppenhaus

    Das war’s, was ich euch zum Thema Müll sagen wollte. Ich hoffe, ihr macht euch darüber nicht zu viele Gedanken. Am Ende müssten wir sonst in ein anderes Quartier umziehen, weil es hier nichts mehr zu fressen gibt. Also macht einfach weiter so!

    Ratzabella zum Thema Müll

    Soweit Ratten-Mama Ratzabella. Stecken in ihrer Geschichte tatsächlich einige „versteckte Hinweise“, wie wir unsere Umwelt besser schützen sollten? 

    Fotos, Idee und Text: Michael Baier

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