Seit ziemlich genau acht Jahren bringt sie uns schneller und bequemer in die Stadt oder zum Käfertaler Wald: Die Linie 4 / 4a der RNV oder – wie sie in ihrer Entstehungszeit genannt wurde – die „Stadtbahn Nord“. Am 11. Juni 2016 war die Jungfernfahrt. Im Frühjahr 2010 hatte der Beteiligungsprozess mit Sitzungen des Forums Stadtbahn Nord im Gemeindesaal der Gnadenkirche in der Gartenstadt begonnen.
Dieser Beteiligungsprozess hatte es in sich. Denn das Stadtbahnprojekt stieß zum Teil auf heftigen Widerstand, vor allem im Zielgebiet Gartenstadt. Dort war, wie die Forschungsgruppe Wahlen in einer repräsentativen Meinungsumfrage im Auftrag der Stadt Mannheim ermittelte, eine Mehrheit von 61% der Befragten überhaupt gegen die Errichtung dieses Zweiges des Straßenbahnnetz in Mannheim.
Zu einer ordentlichen Bürgerbeteiligung gehört auch die Darlegung möglicher Varianten, um die Vor- und Nachteile abwägen und nachvollziehen zu können. Es dürfte ziemlich klar sein, dass die Variante (blau) Max-Joseph-Straße, Durchleitung zwischen IGMH-Sportplatz und Rückseite Multihalle, weiter zwischen Herzogenriedbebauung und Kleingartenanlage, entlang der Straße An der Radrennbahn, unter der Riedbahn durch zur Boveristraße erstens keinen Sinn gemacht hätte, weil zu wenig Anwohnende erreicht worden wären, und zweitens der Widerstand in der Neckarstadt-Ost erheblich gewesen wäre.
Quelle: 2. Stadtbahnforum 24.03.2010. Erste Antworten auf die Fragen der 1. Sitzung. Präsentation der RNV
Das Forum Stadtbahn Nord war zusammengesetzt aus Vertreter*innen des gesellschaftlichen Lebens der vier Stadtteile Neckarstadt-Ost, Waldhof, Käfertal und Gartenstadt, z. B. Vereine, Kirchengemeinden und Schulen. Der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Stadtbahn Nord war ebenfalls Mitglied. Auch die vier Bezirksbeiräte konnten je eine Vertretung entsenden sowie das Quartiermanagement Herzogenried. Mitglieder des Gemeinderats durften nur als Zuhörende teilnehmen. Mit dabei waren natürlich die Planer der RNV sowie des Stadtplanungsamtes. Moderiert wurde das Forum von einem Mitarbeiter des IFOK-Instituts, das auf schwierige Abstimmungsprozesse spezialisiert ist. Eine IFOK-Mitarbeiterin protokollierte die Verhandlungen und verfasste jeweils ein Abschluss-Kommuniqué nach jeder Sitzung, das dann nach Verlesen von der Versammlung abgestimmt wurde, um den Verhandlungsstand festzuhalten und nicht immer wieder von vorne anfangen zu müssen.
Es stellte sich im Laufe der Verhandlungen heraus, dass die teilweise sehr emotional vorgetragene Ablehnung zum Teil aus einer großen Menge von Details des ersten Planungsentwurfs herrührte: Da fielen ein paar Parkplätze weg, dort hatte man Sicherheitsbedenken wegen eines kreuzenden Schulweges, ein Baum musste gefällt werden, eine Garagenzufahrt war zu eng bemessen und, und, und. Alles für die Betroffenen ernst zu nehmende Einwände. Die Strecke wurde dann 100m für 100m genauestens durchgenommen und die Änderungswünsche wurden fixiert. Vor allem aber gab es Widerstand gegen die Linienführung in der Gartenstadt. Beispielsweise sollte die Bahn von der Waldpforte in die enge Kirchwaldtraße abbiegen, um die GBG-Siedlung in der Glücksburger Straße zu erreichen. Diese Planung wurde jedoch als Ergebnis der Diskussionen im Forum vollständig aufgegeben und stattdessen die Linie bis zum Waldfriedhof geradeaus weitergeführt.
Wenig Diskussionen gab es im Bereich Herzogenried / Ulmenweg. Diese kamen erst auf im Zusammenhang mit der Planung, die Buslinie 60 bzw. 61 durch die Straße An der Radrennbahn zu führen. Nach intensiven Diskussionen mit dem Stammtisch Centro Verde und dann im Bezirksbeirat wurde auch dies geändert. Für die Bevölkerung im Herzogenried veranstaltete die Interessengemeinschaft Herzogenried eine offene Versammlung auf dem Gelände des Einkaufszentrums Ulmenweg, bei der u. a. der damalige Dezernent für den Öffentlichen Personennahverkehr, Christian Specht, Rede und Antwort zu den Stadtbahnplänen stand.
Welchen Einfluss hatten also die Bürgerinnen und Bürger?
Kurz gesagt: Ihre vielen Ideen, Einwände und Alternativvorschläge hatten erheblichen Einfluss auf die Entwicklung hin zur endgültigen und umgesetzten Planung. Sie verbesserten die Qualität der Planung deutlich.
Wäre es aber nicht richtig gewesen, in der Gartenstadt einen Bürgerentscheid herbeizuführen?
Nein, das wäre nicht demokratischer gewesen. Denn dann hätten die Einwohner*innen der Gartenstadt auch über die anderen drei Stadtteile, ja stellvertretend für die ganze Stadt abgestimmt. Denn im Falle einer Ablehnung in der Gartenstadt wäre die restliche Strecke nicht mehr finanzierbar gewesen, weil es dann keine Zuschüsse mangels Wirtschaftlichkeit gegeben hätte. Vor allem aber ist ja die Qualität des gesamten Stadtbahnnetzes etwas, das die ganze Bevölkerung Mannheims angeht. Hier unterliegt das Einzel- dem Gesamtinteresse. Die Entscheidung, ob überhaupt der Stadtbahn-Zweig Nord geplant werden soll oder nicht, musste notwendigerweise der Gemeinderat treffen, ebenso wie den abschließenden Durchführungsplan; denn dieses Gremium ist von der Mannheimer Bevölkerung gewählt, um u. a. über den Stadthaushalt zu bestimmen und die Stadtplanung zu verantworten.
Grundsätzlich können die Bürger*innen über einen Bürgerantrag und im Erfolgsfall mittels Bürgerentscheid Widerspruch gegen Gemeinderatsentscheidungen einlegen. Daran hatte aber die Stadtgesell-schaft offensichtlich kein Interesse; sie unterstützte den Bau der Stadtbahn Nord. Und am Ende nutzen seit acht Jahren auch viele einstige Gegner*innen die
Stadtbahn Nord sehr gerne. Die Linie 4 ist besser ausgelastet als ursprünglich berechnet.
Text: Thomas Trüper