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    Asylrecht, Zuwanderung/Migration, Integration

    Wie werden in unserer Demokratie Grundrechte umgesetzt

    Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz: Von September 1948 bis Juni 1949 hat der in Bonn tagende Parlamentarische Rat (4 Frauen, 61 Männer) das gesamte Grundgesetz ausgearbeitet und in Kraft gesetzt. Auftraggeber waren die drei westlichen Besatzungsmächte. Im Grundgesetz ist auch das Grundrecht auf Asyl verankert, das wir hier im Zusammenhang mit Zuwanderung (Einwanderung, Migration) und Integration etwas näher betrachten wollen.

    Das Asylrecht ist immer noch lt. Grundgesetz ein Grundrecht und – neben anderen – ein Kennzeichen für demokratische Verhältnisse. Auch Deutschland hat sich an die Genfer Konvention für flüchtende Menschen gebunden. Aber es gibt zu Flucht und Migration immer heftigen politischen Streit.

    Teile der Bevölkerung meinen,

    • alle Probleme kommen von den „Asylanten“, so z.B. die Kriminalität,
    • daneben nehmen sie uns die Arbeitsplätze weg,
    • die „Asylanten“ machen uns arm, weil ihre Versorgung Geld kostet. Sie flüchten einfach nur in unsere Sozialsysteme
    • das könne sich selbst eines der reichsten Länder nicht leisten,
    • wir könnten einfach die Augen verschließen vor den Kriegen, den Hunger- und Klimakatastrophen in der Welt und die Grenzen dicht machen,
    • die Flucht von Hunderten Millionen Menschen weltweit könne uns kalt lassen. Der geringe Teil, der in die Bundesrepublik kommt, sei nur gierig nach unseren Sozialsystemen und unseren Frauen.

    Andere Teile der Bevölkerung meinen,

    • die flüchtenden und Asyl suchenden Menschen kommen nicht aus Abenteuerlust, Jux und Tollerei oder auf der Suche nach dem Luxusleben,
    • an einigen Fluchtursachen tragen die reichen Länder, auch Deutschland, erhebliche Mitschuld (ausbeuterische Arbeitsverhältnisse bei Lieferfirmen, einseitige Handelsbedingungen, unfaire Rohstoffbeschaffung in den Herkunftsländern, relativ hoher Anteil an den klimaschädlichen Emissionen).
    • Wer die Augen vor dem Elend verschließt, verliert die eigene Menschlichkeit.
    • Wer Tausende Menschen im Ozean und Mittelmehr ertrinken oder auf dem Weg durch die Wüste verdursten und verhungern lässt, hat kein Herz.
    • Migration bestimmt das Leben in Europa und speziell auch in Deutschland seit Jahrhunderten (Zuzüge und Wegzüge). Gerade auch der Wohlstand und die Bedeutung der Stadt Mannheim sind ohne eine immer wieder gezielt durchgeführte Einwanderungspolitik, besonders auch von kulturellen, religiösen und verfolgten Minderheiten, nicht denkbar.
    • die moderne deutsche Gesellschaft sei regelrecht auf eine positive Migrationsbilanz angewiesen (von der Wirtschaft angefangen bis zur Finanzierung unseres Rentensystems).

    Betrachten wir diese Thematik doch einmal am Beispiel von Flucht und Integration einer realen Familie im Herzogenried und schauen, was sie „behördentechnisch“ und „von Amts wegen“ so erlebt hat:

    Warum verlässt eine Familie ihr Zuhause in Syrien, wie ist ihre Flucht verlaufen und warum ist sie jetzt hier zu Hause?

    Unsere Beispielsfamilie lebte als typische kurdische Familie im Nordwesten von Syrien. Beide Elternteile hatten sich im Laufe der Jahre kleine Geschäfte erfolgreich aufgebaut und damit die Grundlage für die Gründung einer Familie gelegt. Zwei Söhne wurden ihnen geboren. Sie lebten als glückliche – typisch mittelständische – Familie in ihrer Stadt inmitten von Olivenbäumen. Einige Olivenhaine wurden vom Vater „unserer“ Familienmutter gepflegt und sicherten ihm und seiner Frau über die Produktion und den Verkauf eines sehr gefragten Olivenöls ein so gutes Auskommen, dass seine Tochter nicht schon frühzeitig zur Versorgung der Familie mitarbeiten musste, sondern zur Schule gehen konnte und sein Sohn sogar in Bulgarien Medizin studieren konnte. Bis der Krieg in diese Idylle platzte. Die Söhne sollen 2013, weil sie 13 und 19 Jahre alt sind und ab 14 Jahre junge Männer als kriegsdienstfähig gelten, als Soldaten, sowohl von Assads Staatsarmee (der Ältere), als auch (der Jüngere) von der YPG (dem bewaffneten Arm der kurdisch-syrischen Partei der Demokratischen Union), rekrutiert werden. Dazu sind von beiden Seiten „Rollkommandos“ unterwegs, die die in Frage kommenden jungen Männer einfach von der Straße weg „einsammeln“.
    Die YPG kämpft damals zunächst gegen den Diktator Assad. Der unterdrückt nach wie vor sein eigenes Volk, bekämpft es mit Waffen und schreckt im Rahmen dieses Bürgerkrieges auch vor dem Einsatz von Bomben und Giftgas nicht zurück. Als dann Erdogan als Verbündeter von Assad seine Truppen nach Syrien einmarschieren und die YPG bekämpfen lässt, wird auch die Heimatstadt unserer Beispielsfamilie besetzt und zum Kriegsgebiet gegen die Volksverteidigungseinheiten erklärt. Erdogan und Assad wollten – und sind immer noch dabei – einen breiten Streifen im Norden von Syrien kurdenfrei zu machen. Die vorhandene Bevölkerung wird zwangsumgesiedelt, um die befürchtete Bildung eines kurdischen Autonomiegebiets der kurdischen Regionen der Südosttürkei, von Nordsyrien und des Nordiraks zu verhindern.
    Unsere Familie und im Besonderen auch die Söhne wollen nicht, dass sie an diesem Krieg teilnehmen, gegeneinander kämpfen und eventuell auch fallen müssen. Die Söhne flüchten 2013 deshalb in einem 100 km langen Fußmarsch nach Antep im türkischen Südostanatolien. Dann geht es 1200 km per Bus weiter nach Istanbul. Inzwischen lösen die Eltern den Haushalt auf, verkaufen ihren Besitz und folgen ihnen drei Monate später nach. Die Großeltern sind zu alt zum Fliehen. Sie müssen mit den übrigen Olivenhainen zurückbleiben und von ihnen jetzt ohne den Rückhalt der Familie leben. Später werden sie vom Assad-Regime enteignet und ihr Haus wird 2023 vom Erdbeben leider zum größten Teil zerstört. Jetzt haben sie kein eigenes Auskommen mehr. Sie müssen nun von ihren Verwandten im Ausland unterstützt werden. Das übernimmt ihr Sohn, der als Arzt seit vielen Jahren in Karlsruhe tätig und nach seinem Studium in Bulgarien eingewandert und Deutscher geworden ist. Unsere Familie kann dazu leider nichts beitragen. Sie leben fortan am und manchmal auch unter dem „Existenzminimum“. In Istanbul lebt unsere Familie unangemeldet und findet als unerwünschte Ausländer nur Schwarzarbeit. Das Familieneinkommen liegt bei knapp 500 Euro. Das muss für Miete, Kleidung und Essen reichen. Ihr Chef behält einfach die Hälfte ihres Lohns für sich ein. Als Flücht­linge haben sie keine Rechte und können sich nicht wehren.
    Nach zwei Jahren teilt der jüngere Sohn mit: „Mama ich gehe nach Europa. Ich bleibe nicht in Istanbul. Lieber riskiere ich mein Leben als Bootsflüchtling, als hierzubleiben.“ Er ist nicht von seiner Meinung abzubringen. Er fährt nach Izmir und findet nach 6 Wochen das erste Mal die Gelegenheit, mit einem Schlepperboot nach Griechenland überzusetzen. Das Boot ist überfüllt und kentert. Obwohl er nicht schwimmen kann, überlebt er 5 Stunden im Wasser (was nicht alle schaffen), bis er von einem türkischen Patroll-Boot herausgefischt und zurück in die Türkei gebracht wird. Er versucht es weiter. Der fünfte Versuch ist dann erfolgreich. Er erreicht die Peleponnes. Von dort geht es zu Fuß in Nachtmärschen – tagsüber versteckt sich die Gruppe junger Männer, der er sich angeschlossen hatte (er ist mit 14 Jahren mit Abstand der Jüngste) – weiter: über Makedonien, Kosovo, Serbien nach Belgrad und von dort – es ist das berühmte Jahr 2015 – per Zug nach München. Hier wird er herzlich empfangen und nach Mannheim weitergeleitet. Die restliche Familie bleibt noch eineinhalb Jahre in Istanbul. Dann entschließen sie sich, da sie immer noch nicht in die Heimat zurückkehren können und der jüngste Sohn nun in Mannheim ist, ebenfalls nach Deutschland aufzubrechen. Entweder wir schaffen das alle zusammen, oder überleben die Flucht gemeinsam nicht. Sie reisen nach Izmir, finden nach drei Tagen ein Schlepperboot, gelangen gleich im ersten Anlauf im Februar 2016 ebenfalls nach Griechenland und werden von dort mit dem Zug in ein Auffanglager in Makedonien gebracht. 13.000 Menschen warten hier auf ihre Registrierung und Weiterleitung. Nach zwei Tagen unter freiem Himmel konnten sich die Drei ein Zelt kaufen. Jetzt hatten sie wenigstens ein Dach über dem Kopf. Sechs Monate leben sie im Zelt. In den ersten drei Monaten sogar ohne Wasser zum Waschen oder Duschen. Es regnet oder schneit ganz oft und eine Heizung oder Kochgelegenheit hat man auch nicht. Dann kommt der heiße Sommer – und Hunger hat man auch ständig. Das kann so nicht weitergehen. Schließlich finden sie einen Schlepper, der sie für knapp 10.000.- Euro, dem restlichen Geld aus dem Verkauf ihres mobilen Besitzes und ihrer Olivenbäume, per Flugzeug nach Düsseldorf bringt. Von dort geht es per Zug für einen Tag zur Anmeldung nach Karlsruhe und dann für zwei Monate ins Erstaufnahmelager nach Heidelberg, von wo sie dann Ende Oktober 2016 ins Flüchtlingslager Benjamin Franklin Village weitergeleitet werden und auch 6 Monate dort wohnen. Hier stößt auch ihr jüngerer Sohn, der in der Zwischenzeit bis zu seinem 18. Lebensjahr bei einer Pflegefamilie untergebracht war, im Rahmen der Familienzusammenführung zu ihnen. Sie sind nun zwar mittellos aber wieder eine glückliche Familie, wenn auch in einer völlig fremden Umgebung.

    Umsetzung von deutschem Asylrecht: Am Beispiel obiger syrisch/deutscher Familie

    Der erste Teil der Geschichte unserer Beispielfamilie schildert eindrücklich den leidvollen, teilweise lebensgefährlichen Weg und die harten Umstände, die sie ins Herzogenried nach Mannheim geführt haben. Wie ging es hier weiter? Was geschieht heutzutage eigentlich mit geflüchteten Menschen, wenn sie bei uns angekommen sind?
    Zunächst stand unsere Familie unter Bundesverantwortung und wurde in einem Erstaufnahmezentrum in Karlsruhe untergebracht. Von dort wurden sie in Landesverantwortung überstellt und in den Landesaufnahmestellen Heidelberg und schließlich Mannheim untergebracht. Hier in Franklin – nun in kommunaler Verantwortung – bekamen sie Unterstützung und Beratung bei der Erstellung ihrer Asylanträge und der anderen benötigten Formulare in deutscher Sprache, derer sie ja damals noch gar nicht mächtig waren. Ohne die Mithilfe von arabischsprachigen, ehrenamtlich tätigen und zwischenzeitlich hier integrierten ehemaligen Flüchtlingen der frühen Neunziger-Jahre, wäre das gar nicht gelungen, zumal der Familienvater Analphabet war. Das geschah im Rahmen des städtischen Projekts „Migranten lotsen Migranten“. Es war bestrebt, Flüchtlinge bei Behördengängen und bei der Integration zu unterstützen. Gut, dass die Stadt Mannheim diese Ehrenamtler*innen damals angeworben und gefördert hat. Sie und besonders Frau Hammoud vom Arabischen Haus, die sich heute auch im Migrationsbeirat für Migranten stark macht, haben, wie man den Berichten aller Familienangehörigen und vieler anderer Flüchtlingen entnehmen kann, sie nicht nur bei den nötigen Amtsgeschäften unterstützt, sondern auch menschlich Trost gespendet und immer wieder Hoffnung gegeben. Zusätzlich wurden auch erste Kontakte von den Helfern vermittelt. So kocht die Mutter der Familie seit damals in der Kochgruppe des Herzogenried mit und wird neben dem offiziellen Sprachkurs – den Integrationskurs hat sie schon erfolgreich absolviert – von einer deutschen Frau (ehrenamtlich) beim Erlernen der deutschen Sprache unterstützt. Schließlich erreicht die Familie nach monatelangem Warten, in dem kein Familienmitglied arbeiten gehen und so zum eigenen Lebensunterhalt beitragen durfte, der Asylbescheid.
    Im Asylbescheid gibt es folgende Möglichkeiten: Die Asylberechtigung besteht oder die Flüchtlingseigenschaft wird zugesprochen. Oder aber der Antrag wird abgelehnt. In diesem Fall kann subsidiärer Schutz gewährt, eine Duldung erteilt oder die Ausweisung/Abschiebung angeordnet werden. Subsidiären Schutz können Asylbewerber erhalten, wenn ihnen nachweislich in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter – durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure verursachter – Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können.

    Den Eltern wurde damals subsidiärer Schutz, den Söhnen Asylberechtigung zugesprochen.
    Nach der Übertragung der Verantwortung für ihre Betreuung an kommunale Ämter und Behörden erfolgte zunächst im Rahmen der Familienzusammenführung durch das Jugendamt die Zuweisung und Umquartierung in eine „eigene“ Wohnung damit die Familie wieder zusammenleben kann. Nach Ablauf der Sperrfrist nahm der Vater sofort eine Arbeit auf, die er sich selbst mit Unterstützung seiner Söhne gesucht hatte. Die Eltern begannen an der Abendakademie Deutsch zu lernen. Der Vater sogar etwas Lesen und Schreiben. Ihr Sprachkurs wurde dann aber im Rahmen der Corona-Maßnahmen abgebrochen. Die Mutter suchte ebenfalls nach einer Arbeit, scheitert aber immer wieder an mangelnden Sprachkenntnissen. Ein neuer Sprachkurs wurde erst durch Intervention eines deutschen Ehrenamtlers, der das Ehepaar in der Kochgruppe des Herzogenried kennengelernt hatte und der sie in der Zwischenzeit bei ihren Behördengängen und ihrem Schriftwechsel unterstützt, genehmigt, obwohl der erste Kurs „abgebrochen“ worden sei. Dass das durch das durchführende Institut wegen der Corona-Regelungen geschah, war gar nicht registriert worden. Erfolgreich bestandene Sprachkurse sind aber Grundvoraussetzung für jede Bewerbung und natürlich auch für eine erfolgreiche Integration.

    Beide Söhne haben zwischenzeitlich unter Inanspruchnahme der ihnen vom zuständigen JobCenter angebotenen Sprach- und Integrationskurse eine Lehre (der Ältere zusätzlich eine Weiterbildung) abgeschlossen, eine Vollzeitarbeitsstelle angetreten, eine Familie gegründet und sich vollständig integriert. Der ältere Sohn ist bereits deutscher Staatsbürger geworden, bei dem jüngeren Sohn, der nach seiner Ausbildung ebenfalls geheiratet hat, ist der entsprechende Antrag bereits gestellt und steht kurz vor dem Abschluss.

    Im Herzogenried ist Integration kein Einzelfall
    Der Stadtteil Herzogenried weist gegenüber der Stadt Mannheim im Ganzen hinsichtlich der Integration von Migranten einige sehr positiven Besonderheiten auf:
    Der Anteil der Einwohner mit Migra­tionshintergrund von den insgesamt 325.691 Mannheimer Einwohnern liegt in Gesamt-Mannheim bei 47,8%, im Herzogenried aber bei 62,7%.
    In Gesamt-Mannheim haben von den Einwohnern mit Migrationshintergrund 19,8% eine deutsche Staatsangehörigkeit erlangt, im Herzogenried aber 47,2% (Quelle: statistisches Amt Mannheim, 2023 und 2022). Das Herzogenried ist also bezüglich Integration ein Musterstadtteil!

    Nach 8 Jahren Aufenthalt in Deutschland einmal ein Beispiel gelungener Integration!

    Aber das Leben der Eltern verläuft nicht so einfach. Um

    • Aufenthaltstitel/Fiktionsbescheinigung,
    • Arbeitserlaubnis,
    • Bürger- und Wohngeld,
    • Arbeitsverträge,
    • Mietverträge,
    • Kontoführung oder
    • Verlängerung der Pässe des Fluchtlandes

    zu beantragen bzw. zu verlängern müssen sie immer wieder die entsprechenden Berechtigungen von Kommunal-, Landes- und Bundesbehörden/Ämtern mühsam nachweisen.
    Ihr Hauptproblem dabei: sie hatten und haben Angst, etwas falsch zu machen, weil amtliche Aufforderungen, Anschreiben, Formulare, Bescheide, Dokumente und Nachweise nicht verstanden oder hinsichtlich ihrer Bedeutung überhaupt erkannt wurden und werden.
    Diese Formulare und Dokumente sind selbst für deutsche Ehrenamtler, die beim Schriftverkehr und dem Umgang mit Ämtern und Behörden unterstützen, auch nach mehrmaligem Durchlesen, oftmals unverständlich.

    Unser Familienvater fragt sich noch heute: „Warum wurde mir nicht während meines vielmonatiges Arbeitsverbots die Möglichkeit eröffnet, wenigstens einfache (Hilfs-) Arbeiten in öffentlichen Einrichtungen durchzuführen, um dem Staat, der mir hilft, auch etwas zurückzugeben? In meiner Heimat habe ich auch immer gearbeitet.“ Sein Selbstwertgefühl ist von dieser einseitigen Abhängigkeit wohl bis heute schwer getroffen.

    Aus der Sicht des Ehrenamts: Macht und Ohnmacht der Bürokratie

    Wenn man als Ehrenamtler*in eine Familie auf ihrem Weg durch die bürokratischen Formalitäten begleitet, fallen einem schon mal Dinge auf, über die ein Nachdenken lohnt. Die Wiederholungs-/Überprüfungszyklen für viele oben genannten Anträge/Verlängerungen sind, an der Lebensrealität gemessen, nicht zeitgemäß und oft zu kurz. Sie schaffen nur Bürokratieaufwand und führen zur Überlastung der beteiligten Ämter/Behörden und der dort arbeitenden Menschen. Diese sitzen dann den eigentlich Betroffenen gegenüber und können wegen der ihnen vorliegenden, bindenden Richtlinien und Anweisungen gar nicht so handeln, wie es der individuelle „Anwendungsfall“ eigentlich erfordern würde. Es fehlen oft fristgerecht ergangene Dokumente anderer Behörden/Ämter auf dort fristgerecht eingereichte Anträge und Formulare. Diese werden aber von der anderen Stelle zur Bewilligung gebraucht. Der einzelne Mitarbeiter ist dann ohnmächtig. Es können einem beide Seiten leidtun.

    Manchmal gipfelt das Nicht-Funktionieren der Zusammenarbeit und Zuarbeit der verschiedenen Behörden und Ämter in: Androhung und Vollzug von Wohnungskündigungen, Essensmangel zur Monatsmitte wegen noch nicht eingegangenen oder viel zu spät ausgezahlten Hilfsgeldern und die Verlagerung der sozialen Verantwortung „des Staates“ zu Tafeln, kostenlosen Lebensmittelabgabestellen und anderen ehrenamtlichen Einrichtungen.
    Leider ist hier keine Verbesserung in Aussicht. Die betroffenen Menschen haben keine laut tönende Lobby.
    Und es stellt sich eine weitere Frage: Warum gelingt es seit mehr als 9 Jahren nicht endlich die Ausbildungen/Studien der Herkunftsländer der Asylberechtigten einmal durchzugehen, zu bewerten und dann hier anzuerkennen oder neu nach hiesigen Kriterien einzustufen? Oft sitzen Menschen, die sowieso schon unter der Ungewissheit des Ausgangs ihrer Ausbildungs-/Studienanerkennung leiden, nicht nur untätig in ihren Unterkünften, sie können auch nicht, wie die allermeisten von ihnen es von „zu Hause“ gewohnt sind und es auch hier wollen, zu ihrem Unterhalt beitragen, ohne von der Gnade und dem Wohlwollen anderer abhängig zu sein. Oft landen sie dann freiwillig in Jobs, für die sie völlig überqualifiziert sind, obwohl überall Fachkräftemangel herrscht. Hat das nicht auch ganz viel mit „die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu tun?

    Aus der Sicht des Ehrenamts: Integration ist zweiseitig – Fordern und Fördern

    Integration ist selbstverständlich eine zweiseitige Angelegenheit. Von staatlicher/amtlicher Seite werden Integrationshilfen aber manchmal gar nicht angeboten und in persönlichen Gesprächen oft unzureichend erklärt oder die kleingedruckten, entsprechenden Belehrungen sind für die Betroffenen unverständlich formuliert. So können sie dann nicht richtig wahrgenommen und genutzt werden. Hier wird eine Chance zur Integrationshilfe verpasst.

    Natürlich gehört zur Integration andererseits auch die teilweise Änderung und Anpassung von mitgebrachten – der eigenen Erziehung entstammenden Sitten und Gebräuche – an die hier geltenden Regeln und Gesetze. Wenn man Deutschland als Land seiner Wünsche zur Asylbeantragung oder Zuwanderung gewählt hat, ist es auch selbstverständlich, dass man hier, neben der Vermittlung der eigenen kulturellen Traditionen, die hiesigen Grundrechte und Grundwerte lebt und an seine Nachkommen weitergibt. Dazu gehören natürlich auch das Grundrecht auf Gleichheit, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Religionsfreiheit, … um nur einige zu nennen. Hier sei noch einmal mit Bild 1 auf die verfassungsmäßig allen in Deutschland wohnenden Menschen garantierten Grundrechte hingewiesen. Und nicht vergessen: Der Staat sind wir! Nur was wir tun und leben wird zu Demokratie. Die Regierung (und damit auch die von ihnen verantworteten Ämtern und Behörden) ist von uns allen gewählt. Sie sind nur unser „verlängerter Arm“, der hilft, die von uns gewollten Grundrechte umzusetzen. Und „Wollen“ heißt immer auch „Selbst Tun“.

    Aus dem oben beschriebenen Familienschicksal stellt man sich vielleicht auch die Frage: Wo bleiben bei der Umsetzung von Asylrecht und Zuwanderung eigentlich der Schutz der Würde des Menschen, die Freiheit der Person, der Schutz von Ehe und Familie oder andere Grundrechte, die für alle Menschen in Deutschland gelten?
    Wo bleibt ein an die aktuellen Anforderungen angepasstes Migrations/Einwanderungsgesetz, wie es in vielen Ländern (zum Beispiel im gern zitierten Kanada, in Japan, Australien und anderen) durchaus existiert und gut funktioniert.

    Text und Grafik: Michael Baier

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